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Montag, 18. April 2016

Telegraph: Nur um Erdogan zu gefallen bringt Angela Merkel nun auch deutsche Satiriker zum Schweigen. Das hat uns die EU eingebrockt

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Von Boris Johnson, 17. April 2016


Liebe ist eine vielbesungene Angelegenheit. Amors Pfeil findet manchmal die unerwartetsten Ziele. Ich würde nicht einmal die Möglichkeit ausschliessen, dass zwischen Mann und Ziege ein gegenseitiges erotisches Interesse entstehen kann. Die alten Griechen haben diese Möglichkeit ganz klar in Betracht gezogen: Man denke nur an die Mythologisierung von Pan, den Satyren oder die behuften Zentauren.

Eine oberflächliche Suche im Internet enthüllt, dass - laut BBC - 2006 ein Sudane namens Tombe in flagranti mit einer weiblichen Ziege erwischt wurde, um dann von den Dorfältesten zu einer Entschädigung von 15.000 Sudanesischen Dinar an den Besitzer verurteilt wurde, sowie dazu das Tier zu ehelichen. Da mir nichts anderes bekannt ist nehme ich an, die beiden sind noch immer zusammen.

Aber ich denke, es gibt niemanden von Wichtigkeit, der ernsthaft daran glaubt, dass es irgendeine Art von Romanze gab zwischen dem Präsidenten der Türkei, Recep Tayyip Erdogan und einem anderen nicht-menschlichen Wesen, aus einer Kaprize oder anderweitigem.

Als also ein junger deutscher Comedian den türkischen Führer am 31. März in einem Nischenprogramm einen "Ziegenf****" nannte, dann möchte man meinen, die beste Antwort daruf sei - aus türkischer Sicht - würdevolles Schweigen. Ja, ich nehme an es war kindisch. Und ja, ich gehe davon aus, dass es nicht allzu gutem Geschmack entsprungen ist. Aber es war das, was wir einen Witz nennen. Es ist unglaublich verblüffend - wie auch leicht schockierend - dass der türkische Führer dies nicht so gesehen hat.

Diese Episode hat, wie man so sagt einen Pferdefuss, da er das gesamte diplomatische und politische Gewicht der Türkei in die Verfolgung des Satirikers, dem 35 Jahre alten TV Moderator Jan Böhmermann gelegt hat. Erdogan und die türkische Regierung haben offiziell gefordert, dass der Moderator wegen Majestätsbeleidigung angezeigt werden soll - in diesem Fall wegen der Beleidigung des Führers eines fremden Staates - unter einem Statut, das auf 1871 zurückgeht und die Herrschaft von Kaiser Wilhelm II.

Unglaublich scheint, dass dem Journalisten bis zu fünf Jahre Haft drohen. Was aber wahrhaft unglaublich ist, - es ist sogar krankmachend - dass die deutsche Regierung unter der Dringlichkeitsbitte von Angela Merkel zustimmte, dass der Anklage stattgegeben werden soll. Sie hätte nicht müssen. Sie hätte nein sagen können. Die Angelegenheit war komplett ihre Entscheidung. Viele deutsche Politiker sagten ihr, dass so ein Prozess ein unverschämter Angriff auf die Redefreiheit sei - ein Akt der Zensur, der einige der dunkelsten Momente der Deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wachruft.

Und doch hat sie stur entschieden, gegenüber den Forderungen Erdogans einen Kotau zu leisten, einem Mann, der mit einer beunruhigenden Unterdrückung der Redefreiheit in der Türkei beschäftigt ist. Erdogan wurde erst vor 18 Monaten Präsident - und doch hat er es in der Zeit geschafft in 1.845 Fällen Anzeige zu erstatten wegen Beleidigung, darunter ein Arzt, der ein Foto von Erdogan in den sozialen Medien veröffentlichte, auf dem er neben dem Gollum zu sehen ist.

Es bringt nichts zu sagen, dass der Fall gegen Böhmermann ein völliger Blindgänger ist, oder dass er vor Gericht abgewiesen wird. Man muss nur an die Auswirkungen in der Türkei denken. Man muss sich nur vorstellen, wie es sich anfühlen muss als türkischer Journalist, mit der Angst was zu sagen erlaubt ist und was nicht und dann sieht man Angela Merkel - die Führerin des bevölkerungsreichsten und reichsten Landes der EU, diesem Club der sogenannten liberalen westlichen Länder - wie sie sich beugt vor den Lauen eines Autokraten.

Man würde sich alleine fühlen und verängstigt, dass sogar Deutschland sich nicht für einen einsetzen wollte; und dieser Gedanke wäre sehr wahr. Jeder weis, warum sie es tat. Jeder weis, warum Angela Merkel so zynisch handelt und so verzweifelt entschlossen ist, dem türkischen Führer zu gefallen - oder zumindest nichts zu tun, um ihn zu irritieren; und das liegt an den nächsten Wochen und Monaten, wenn wir eine weitere Migrationskrise im östlichen Mittelmeer erleben könnten.

Wir alle wissen, dass das ursprüngliche Problem vergrößert wurde durch Deutschlands Politik der offenen Tore. Angela Merkel präsentierte sich als eine Art EU-Freiheitsstatue - und das Ergebnis war ein Zugfaktor, der die Migrantenströme nach Deutschland und andere Länder umleitete und das über die Türkei und alles auf einem Niveau, wie es Jahrzehnte nicht der Fall war. Und nun wurde eine Abmachung getroffen - ein fragiler Vertrag, nachdem die Türkei die Flüchtlinge aus Griechenland gegen Geld zurücknimmt im Gegenzug für neuerliche Verhandlungen zur EU-Mitgliedschaft.

Allerdings hat bei allem die Türkei die Hand am Hebel. Erdogan kann, wenn er will, das Tröpfeln wieder zur Flut machen - und das mit desaströsen Konsequenzen nicht nur für Merkel, sondern für das gesamte Projekt der EU Integration. Das Britische Referendum ist auf Messers Schneide. Alle üblichen Verdächtigen sind am Werk und versuchen die britische Öffentlichkeit zu verwirren und sie zu überzeugen, dass sie den beschleunigten Prozess des Verlustes an demokratischer Souveränität als Preis für wirtschaftliche Blüte zahlen sollten.

Wir haben es vom IWF gehört (der die Asienkrise völlig falsch einschätzte), wie auch von den Banken und dem CBI, von denen alle falsch lagen beim Euro. Oder in Davos - da findet sich die Sorte Mensch, deren Erste Klasse Ticket vom Steuerzahler übernommen wird, all die Lobbyisten und PR-Abteilungen von Großunternehmen: Sie alle sind zunehmend nervös, dass es rumort, dass die Leute sehen, dass der Kaiser keine Kleider anhat, und dass Großbritannien eine großartige Zukunft außerhalb der EU haben könnte.

Sie alle wissen, dass es da in den nächsten Wochen Ereignisse eintreten könnten, welche das britische Volk an mindestens einen hervorspringenden Punkt in der Debatte erinnern könnte - dass dieses Land keine Kontrolle über seine Grenzen hat - und dass eine weitere Migrationskrise an den Grenzen der EU und innerhalb davon stattfinden könnte. Dies ist ein Grund, weshalb es essentiell ist für Angela, sich an Erdogan ranzuschmeissen. Das ist auch der Grund weshalb über diese ungeheuerliche Anzeige kein Ton zu hören ist aus Großbritannien.

Niemand glaubt, dass Erdogan auf Ziegen steht, oder dass gelegentlich Gemeckere kommt aus dem Präsidentenschlafzimmer in Ankara. Aber in einer freien und pluralistischen Gesellschaft gibt es keinen Grund, weshalb ein selbsternannter Satiriker keinen Witz darüber machen darf. Der Prozess der EU Integration kommt einer umfassenden Erosion der Demokratie gleich; und das Zulassen des Prozesses deutet auch auf die Erosion der Redefreiheit hin. Diese ganze Angelegenheit ist einfach nur niederträchtig.


Im Original: Angela Merkel is now silencing German satirists to please Erdogan. This is what the EU has wrought

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